der wegweg

bis sich das besagte in luft aufzulösen beginnt entschließe ich mich kurzerhand das nicht gesagte auszusprechen. vergesse meine bis dahin fein säuberlich in der sonne getrockneten wortfetzen, verschenke mein baumhaus an das obdachlos, sattle die verdutzten hühner und begebe mich auf die nichtgeplante reise ins untalentierte.
sonntag morgens, früh morgens. das wochenende schnauft dem ende zu und es riecht nach verwester übertriebenheit. meine am vortag abhanden gekommene zuversicht versucht sich höflichst bei mir zu entschuldigen. ich verzeih` ihr, bin ja nicht so! einen toten sollte man in ruhe lassen - ruhen lassen - und war er noch so ein riesen arschloch. tot ist tot, aus, vorbei, leblos, restlos! dieser sonntag beginnt also mit einem leicht getrübten auge. wie manche, vielleicht jede reise beginnt. und es reist nur jener, welcher seinen koffer im keller verwahrt, oder auf dem dachboden, oder er verzichtet generell auf einen solchen. ich packe also meinen koffer in den obligaten 5 minuten. mit allerlei firlefanz, wie ich zu sagen pflege.

was da wäre:
den letzten brief meines gefallenen großvaters an meine liebe omsch
meine rosarote brille, wie gehabt
meine psychoanalyse aus dem jahre schnee
den mitgebrachten spiegelsplitter aus auschwitz
mutters lieblingshandschuhe
hc artmanns "grammatik der rosen" band 3
telefonnotizbuchseite "c"
meine neumondnachtsammlung,
ausgenommen den noch immer fehlenden 18. Dezember 1979
meinen geliebten strohpolster
ein paar gummistiefel, sicherheitshalber
den nachtkastlschlüssel erika pluhars
meine, vom unglaubwürdigen pfarrer, gefälschte geburtsurkunde
eine dose abgelaufenen übermutes
und nicht zu vergessen eine familienpackung thujensamen
mit dem dazugehörigen doppler substral

all das in den obligaten 5 minuten. der sonntag bekommt mittlerweile einen hauch von ernsthaftigkeit. sein geruch ist jedoch immer noch unerträglich. ich mache mich also auf den weg - weg - weg, leicht angeschmiegt an irgendeine fiktive schulter. ich habe vergessen mich in die arme zu nehmen! von weitem erkenne ich einen abgestellten leichenwagen. ich setze mich mit schaudern hinters steuer und lege den retourgang ein, um schnellstens wieder auszusteigen. eine elster stibitzt mir den spiegelsplitter, den aus auschwitz. eine gänsehaut vergewaltigt meinen rücken. meine, mir auf den sack gehenden, gewohnheiten tanzen charlston und wollen mich partout nicht vorbei lassen. ich stecke sie, in meine sicherheitshalber mitgebrachten, gummistiefel und erzähle ihnen, nicht ganz glaubhaft, von einer angeblich bevorstehenden sintflut, worauf sie mir einen deftigen arschtritt verpassen. sollte dieser montag einen lachanfall bekommen, wäre ich versucht, mir eine edelnutte zu gönnen, um dieses lustgewirr, diesen gezähmten krieg, dieses sanfte gefühlsgemetzel einmal von der anderen seite betrachten zu können. dieser montag wird recht behalten, unweigerlich. und ich kann mich nicht erwehren ihm zu danken. ihm nahezu die füße zu lecken, für seinen weitblick, für seinen nicht zu beeindruckenden sarkasmus, für seine primitive kompliziertheit. wenn mein untalent konzept hätte, oder konsequenz. mein geplanter weg wäre ein reibungsloser, verwahrlost selbstloser.

und so gehe ich, und gehe.

wie höchstwahrscheinlich jeder. jede fußstapfe eine, in die ich schon getreten bin. am wegesrand lauert ungeduldig eine hundertschaft von durchaus anständigen besserwissern, von stubid wirkenden schreiern, lostretern. wirre, pudelnasse wortfetzen fliegen mir um die ohren. ich bemühe mich ehrlich sie wahrzunehmen. ich resigniere vergeblich. mir bleibt nichts anderes übrig, als ihnen meine thujensamen in ihre rachen zu werfen, ein glas substral anzubieten und ihnen wohlgemut einen guten tag zu wünschen.

ich sehne mich so nach denjenigen, die den wegesrand meiden. die im landesinneren leben. diejenigen, die in ihren baumhäusern ausharren. die warten. die aus ihren talenten die garne spinnen, die sie zum flicken ihrer durchgewätzten socken benötigen.